Extrawurst

Gelungene Premiere: Pointierte Satire um die (Extra-)Wurst

nbkiel-admin In der Presse, Kieler Nachrichten

Alles muss auf den Tisch – oder besser gesagt auf den Grill. In der Komödie „Extrawurst” zankt sich ein Tennisclub um die eigentlich banale Frage, ob für das türkische Mitglied ein extra schweinefleischfreier Grill angeschafft wird. In der unterhaltsamen Inszenierung geht es aber schon bald um mehr.

Vom 26.03.2022 aus der Redaktion der Kieler Nachrichten

VON BEATE JÄNICKE

Kiel. Normalerweise würde Agnes, ihres Zeichens leicht autoritär angehauchte Vorsitzende eines Tennisclubs, die Vereinssitzung schnell abschließen und zum gemütlichen Teil übergehen. Normalerweise. Aber dann passiert etwas, das den gewohnten Gang der Dinge empfindlich stört: Ein neuer Grill soll angeschafft werden, für gesellige Treffen. Aber braucht es nicht auch noch einen zweiten für Erol, das einzige türkische Mitglied der Runde, der seine Wurst als Moslem nicht neben den Schweinenacken auf den Rost packen darf?

Einen richtig guten Griff hat die Niederdeutsche Bühne Kiel mit der aktuellen Komödie „Extrawurst” der Autoren Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob (Niederdeutsch: Meike Meiners) getan. Was sich wie eine Bagatelle anhört, steigert sich in den nächsten gut eineinhalb sehr unterhaltsamen Stunden zu einer Generalabrechnung, aus der keiner der Vereinsmitglieder ungeschoren herauskommt. Regisseur Jörg Diekneite hat im Theaterraum das Saallicht eingeschaltet: die Zuschauer sind nämlich die Vereinsmitglieder und Teil der Inszenierung.

Mit Witz und Tempo rasseln Protagonisten aneinander

Mit Witz und Tempo rasseln in diesem Setting die fünf Protagonisten aneinander. Neben der herrischen Agnes (Karen Ehlers) versucht sich ihre Vize Petra (Silke Ehrich), endlich mal zu behaupten. Die engagierte Melanie (Britta Poggensee) tritt die ganze Debatte überhaupt erst los, während Torsten (Helge Harders), ihr Mann, gerne sarkastische Bemerkungen vom Stapel lässt. Nicht zu vergessen Erol, Melanies Doppelpartner (Dimitar Saturov), der eigentlich gar keine Extrawurst beim Grillkauf für sich will. Ein aufgeweckt agierendes Typenkabinett, das dann aber gar nicht so vorhersehbar tickt, wie man zunächst denkt.

Hochaktuell sind die Dialoge in dieser Satire. Es geht um rechte politische Positionen genauso wie um Religion, um Gleichberechtigung wie um die Definition von Demokratie. Das alles mit pointierten Sprüchen garniert, wenn etwa darüber spekuliert wird, ob der „Schweinedampf” das übrige Grillgut kontaminiere. Oder wenn Petra nicht verknusen kann, dass „der Türke” den größeren Grill zu Hause hat. Spannend wird die Sache auch dadurch, dass jeder – auch Erol – seine Vorurteile pflegt. Das Publikum im zu einem Drittel gefüllten Saal amüsierte sich und kam bei der finalen Frage sogar auch noch zum Zug: Extrawurst oder nicht?

Artikel veröffentlicht: Samstag, 26.03.2022 in den Kieler Nachrichten.
Foto: Imke Noack, Silke Ehrich (von links), Britta Poggensee, Karen Ehlers, Helge Harders. 


Tickets sind an allen bekannten VVK-Stellen erhältlich oder unter (0431) 901 901.

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