Elling_NBKiel_2022_Foto_Imke Noack

„Elling“: Komisch, sensibel, liebevoll und höchst unterhaltsam

nbkiel-admin In der Presse, Kieler Nachrichten

Nach der Uraufführung 1999 entwickelte sich das norwegische Stück „Elling“ um zwei mental auffällige Freunde, die sich an der realen Welt außerhalb einer psychiatrischen Klinik abmühen, zum großen Überraschungserfolg. Die so witzige wie einfühlsame Premiere im Theater am Wilhelmplatz zeigte, warum.

Vom 20.02.2022 aus der Redaktion der Kieler Nachrichten

VON THOMAS RICHTER

„Elling“ oder die Rückkehr ins „normale“ Leben

Kiel. (…) Das Stück „Elling“ von Axel Hellstenius (nddt. Hartmut Cyriacks, Peter Nissen) durchbricht diese Wahrnehmungsbarriere. Basierend auf Ingvar Ambjørnsens Roman „Blutsbrüder“ erzählt es von zwei recht wundersamen Freunden, die nach ihrer Entlassung aus der Psychiatrischen Klinik wieder ins „normale“ Leben zurückkehren sollen. Dafür hat der Staat ihnen eine Wohnung zur Verfügung gestellt, die Bühnenbildnerin Annedore Hedde-Schürmann im Theater am Wilhelmplatz mit nackten blassgrün-strukturierten Wänden und spärlichem Mobiliar als Szenerie darstellt, die viel von der inneren Leere und Verwirrung der Protagonisten erzählt. Zur Seite gestellt ist den Kauzen der Sozialarbeiter Frank (Hans Kallsen als wohlwollender Spät-Hippie, der aber keinesfalls naiv agiert).

Zwei wundersame Freunde im Theater am Wilhelmplatz

Seine Schützlinge: Elling, überaus ängstlich, intelligent, immer (über-)korrekt gekleidet, ein Putzteufel, geprägt von der bittersüßen Erinnerung an seine verstorbene Mutter. Er ist Helene-Fischer-Fan allerdings auch mit Drang zur gehobenen Lyrik. Und Kai Uwe, äußerlich das genaue Gegenteil. Mit Wollmütze, Sonnenbrille, Jeans und schweren Stiefeln betritt er die Bühne. Kai Uwe ist groß, praktisch veranlagt, aufbrausend, unsicher. Er will endlich eine Frau in die Kiste kriegen und versucht es mit Telefonsex. Und das obwohl der Fernsprechapparat für die Männer WG an sich schon eine mysteriöse Bedrohung darstellt. Ebenso wie ein Gang ins Restaurant (als charmante Kellnerin gibt Mareike Reimers ihr NBK-Debüt).

Doppelte Glanzleistung

Regisseur Karl-Heinz Langer lotet den steinigen Weg, auf dem sich die Freunde zur Selbstbestimmung voran tasten, komisch, sensibel, liebevoll und höchst unterhaltsam aus. Dazu bieten Markus Laurenat als Elling und Ulli Thode als Kai Uwe eine Glanzleistung. Wie sich die beiden in ihren Nöten aneinander klammern und dabei trotzdem versuchen, ihre eigene Identität zu finden, ist großartig gespielt.

Irgendwann geht Elling allein zu einem Lyrik-Abend, während Kai Uwe mit der hochschwangeren Heidrun anbandelt, die Sabine Alipour (in einem kurzem Flashback auch als Bedienstete der psychiatrischen Klinik zu sehen) wunderbar als kokett-liebenswertes Dummerchen anlegt. Für Elling und Kai Uwe heißt es schlussendlich: Die Zukunft kann kommen. Großer Applaus.

Theater am Wilhelmplatz. Bis 20. März, Do. und Fr. jeweils 20 Uhr; Sa. und So. jeweils 18 Uhr. Karten: 0431/901 901.

Artikel veröffentlicht: Sonntag, 20.02.2022 in den Kieler Nachrichten.
Foto: Imke Noack


Tickets sind an allen bekannten VVK-Stellen erhältlich oder unter (0431) 901 901.

ELLING