Draußen auf dem Balkon

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Vom 28.09.2020 aus der Redaktion der Kieler Nachrichten

VON BEATE JÄNICKE

„De letzte Smökerin“ feierte Premiere bei der Niederdeutschen Bühne am Kieler Wilhelmplatz

KIEL. Wie sie heißt, tut nichts zur Sache, aber wie sie sich fühlt, dafür umso mehr: Sie ist „De letzte Smökerin“ – zumindest auf der Party von Doris. Denn alle anderen dort sind Nichtraucher. Auch Gastgeberin Doris neuerdings, die habe ihr darum auch nur mit Widerwillen eine Untertasse als Aschenbecherersatz in die Hand gedrückt – zum Rauchen auf dem Balkon. Da steht sie nun im Freien, denn „een dörtrecken“ findet sie einfach zu schön. De letzte Smökerin ist die erste Premiere der Niederdeutschen Bühne Kiel in Corona-Zeiten. Das Zweipersonenstück ging vor rund 40 Zuschauern im Theater am Wilhelmplatz unter viel Beifall über die Bühne.

Einen Ausschnitt des amüsanten Stücks von Mark Kuntz gab es vorab während des Lockdowns schon auf der KNBühne zu sehen. Nun also die eigentlich schon im Frühjahr geplante Premiere in der Bühnenfassung von Kai-Uwe Holsten (Niederdeutsch: Kerstin Stölting). Die Sprache passt prima zum Stück: Manche handfeste Empörung lässt sich „op Platt“ einfach geschmeidiger anbringen.

Denn empört ist sie, die Raucherin, darüber, dass die Partygäste sie einfach auf dem Balkon vergessen haben und nun ohne sie um die Häuser ziehen. Die Balkontüre ist zu, die Frau ausgesperrt. Hektisch prüft sie ihre Zigarettenvorräte. Immerhin: 28 Kippen hat sie noch, dazu einen kalt gestellten Kasten Bier.

Britta Poggensee spielt die letzte Raucherin zwischen aufmüpfigem Trotz und erfrischender Selbstironie. Die Figur, die auch schon mal auf dem Balkongeländer der als typischer Neubaublock gestalteten Kulisse balanciert (Bühne: Rainer Kühn), wandelt gedanklich auf der Erinnerungsspur ihrer Raucherkarriere, oder aber sie malt sich aberwitzige Fantasien aus. Wie die vom extra trainierten Hund, der eigenständig zur Tanke läuft, Zigaretten holt und ihr diese dann brav auf den Balkon apportiert. Schauspieler Severin Staack gibt diesen Hund, mit albernen Puschelohren und mit viel Sinn für absurden Humor. Neben dem Vierbeiner hat Staack noch eine ganze Reihe anderer seltsamer Typen auf Lager. Regisseur Jörg Diekneite hat die Nacht auf dem Balkon in Szenen gegliedert, die er mit Blackouts absetzt. Das wirkt wie ein Ausrufungszeichenhinter der jeweiligen Geschichte. Die sind besonders unterhaltsam, wenn sie sich ins Fantastische steigern. Wie die Story vom sprechenden Zigarettenautomat (wieder: Severin Staack), der mit monotoner Stimme, der Raucherin penibel vorrechnet, wie viele Jahre sie schon quarzt und dass sie sich doch erst vor ein paar Stunden schon eine Schachtel geholt hat.

Dass sich die Raucherin als „Risikogruppe“ in guter Gesellschaft fühlt mit anderen „Randgruppen“ wie Übergewichtigen oder Unsportlichen, bekommt durch den Corona-Kontext für einen kleinen Moment eine unbeabsichtigt ernste Note. Aber der Abend behält dennoch seine Balance aus gut gezieltem Spott – über die anderen und über sich selbst.

Artikel veröffentlicht: Montag, 28.09.2020 in den Kieler Nachrichten
Foto: Imke Noack – Smökerin Britta Poggensee und Severin Staack, der in mehreren Fantasie-Rollen ihr Gesprächspartner ist.

Weitere Aufführungen: 2.+3. Okt., 20 Uhr; 4. Okt., 18 Uhr, Theater am Wilhelmplatz, Wilhelmplatz 2, Karten: Tel. 0431 /901 901

siehe auch: De letzte Smökerin