Das tapfere Schneiderlein

Niederdeutsche Bühne Kiel spielt „Das tapfere Schneiderlein“

nbkiel-admin In der Presse, Kieler Nachrichten

Er erschlägt sieben Fliegen „auf einen Streich“. Wie den Schneider diese Tat schließlich gar zum „tapferen Schneiderlein“ macht, erzählt das wunderbare Weihnachtsmärchen der Niederdeutschen Bühne Kiel.

Vom 22.11.2021 aus der Redaktion der Kieler Nachrichten

VON THOMAS RICHTER

Kiel. „Sieben auf einen Streich“. Wer kennt sie nicht, diese stolze Botschaft, die sich ein Schneider auf seinen Gürtel stickt, nachdem er in einem Handstreich sieben Fliegen ins Jenseits befördert, die sich an seinem heiß ersehnten Brot mit Mus zu schaffen machten. Dass aus dem fleißigen Handwerker, der einen Prinzen innerhalb eines aussichtslosem Zeitlimits neu einkleiden soll, in naher Zukunft „Das tapfere Schneiderlein“ – agil, clever, ehrlich, einfach liebenswert dargestellt von Nikita Heimann (Jonas Domeier) – werden würde, konnte natürlich niemand ahnen. Seine Geschichte erzählt die Niederdeutsche Bühne Kiel (NBK) in ihrem diesjährigen Weihnachtsmärchen.

Weihnachtsmärchen mit neuer Figur

Aufgrund der Corona-Bedingungen abgespeckt, aber beseelt von der Freude, gerade in der für Kinder so besonderen Weihnachtszeit wieder zu spielen, liefert die Niederdeutsche Bühne Kiel bei ihrer Interpretation des Grimmschen Märchenklassikers (Bearbeitung: Sabine Alipour) unter der pointierten Regie von Susanne Wieger und mit freudemachender Musik von Wolfgang Hamann ordentlich ab.

Die treibende Kraft dieser Lesart ist die (hinzugedichtete) Schwester des Schneiders, Wilma (Lian Alipour, Karlotta Lorenzen). Sie macht in dieser Rolle sowohl die Unbeschwertheit der Jugend, aber auch den Stolz auf ihren Bruder fühlbar. „Lass uns gehen und Abenteuer erleben“, ermuntert sie das zunächst zaudernde Schneiderlein. Denn auch sie ist der Annahme, dass die „Sieben“ auf dem Gürtel ihres Bruders eine militärische Großtat dokumentiert, und alle Welt davon erfahren müsse.

Große Aufgabe für das Schneiderlein

Der Schneider sieht das natürlich anders. Es waren doch nur Fliegen. Aber wartet die Welt nicht sowieso stets auf einen Helden? Gewartet hat offenbar der König (Peter Maaß, Ulli Tode). Sein Reich wird von zwei Riesen und einem Einhorn bedroht. Er bietet dem Schneider die Hand seiner Tochter (Margareta Cosmol, Merve Römer) und das halbe Königreich, wenn dieser ihn von den Bedrohungen befreit.

Mit List und Tücke gelingt vor allem der Kampf gegen die beiden Riesen. Hier spielt der trickreiche Schneider sein Blatt voll aus. Verraten wird hier nichts. Wo bleibt denn da der Spaß? Als Riese und Riesin liefern Ulrich Thode und Merve Römer eine grandiose Show, die nicht nur wegen der verwegenen Perücken irgendwo zwischen Wacken, Woodstock und Wahnsinn irrlichtert und einfach Laune macht.

Weihnachtsmärchen für Kinder ab vier Jahren

Thode, wie alle Darsteller außer dem „Schneiderlein“ in einer Doppelrolle zu sehen, zieht später auch als König Klunker alle Register des unverblümt komischen Spiels für Kinder ab vier Jahren. Er ist eitel, aber nicht selbstverliebt, er ist unentschlossen und tatterig, aber nicht wehrlos. Am Ende steht er gegen die Bedenken seines Dieners (neben seiner Figur als großkotziger Prinz glänzt hier Fabian Neumann/Rune Hansen als herrlich schleimiger Untertan) zu seinem Wort und gibt seine Tochter (nach der freidrehenden Riesin nun ganz distinguierte Prinzessin: Merve Römer) frei.

Die Wortfindungsstörungen, die der Monarch bei jedem Anlass mit einem „Dingsda“ zu kaschieren versucht, und die angestrengten „Übersetzungsversuche“ des Dieners sind ein weiterer Leckerbissen der Inszenierung.

Bühnenbildner Rainer Kühn zeichnet das Etappenrennen der Figuren sehr sinnfällig mit beschränkten Mitteln: Garten, Werkstatt, Burg, Riesengehege, Thronsaal. Wald mit Einhorn. Fast ohne Umbauten unter Zuhilfenahme des Theatersaals gelingen die Verwandlungen. Warum nicht? Das ist Theater. Großer Beifall.

Artikel veröffentlicht: Montag, 22.11.2021 in den Kieler Nachrichten.

Foto: Imke Noack


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