Sofie Köhler gewinnt den 1. Platz beim niederdeutschen Konrad-Hansen-Preis
Frische 30 Jahre jung, ledig, erfolgreich im Job, wohnhaft in einer Zweiraumwohnung ohne Gardinen – das ist Marie Petersens Leben.
Immer noch umsorgt von der perfektionistischen Mutter Valerie, verheimlicht sie Tom, der „nur“ ein Freund ist und berichtet Papa Heinz brav von Errungenschaften auf der Karriereleiter.
Konfrontiert mit all den Idealen, Plänen und Zielen, die andere als Hürden in den Weg gestellt haben, wagt Marie den Schritt, ihre Position im Leben zu überdenken und sich neu aufzustellen. Zum Missfallen Valeries, die einen genauen Plan für ihre Tochter zurecht gelegt hat. Mit dem Auftauchen von Oma Klara, eine Weltenbummlerin aus dem Bilderbuch, wird aber schnell klar: für jeden Menschen gibt es eigene Ziele, egal was andere sagen.
Nein, das Stück „30“ ist nicht autobiografisch, auch wenn es im ersten Moment durchaus den Anschein erweckt. Immerhin bin ich, wie Marie, frische 30 Jahre jung, ledig, erfolgreich im Job, wohnhaft in einer Zweiraumwohnung ohne Gardinen. Und auch mir werden regelmäßig Fragen aus dem obigen Szenario gestellt, seit ich die zwanziger hinter mir gelassen habe. Doch das Stück ist vielmehr aus einer Beobachtung entstanden. Vorweg genommen, ich habe keine Feldstudien durchgeführt oder Statistiken ausgewertet. Es waren zahlreiche Gespräche, die mir geholfen haben, diese Charaktere in den Bühnendialog treten zu lassen. Egal welchen Alters, egal welchen Geschlechts, nicht immer passen Lebensentwurf und Ausführung zusammen. Nicht immer ist es leicht für ein Kind, egal wie alt, den Eltern zu sagen: „Ich bin kein Kind mehr.“ Und nicht immer ist es leicht für die Eltern, egal wie alt, diesen Satz zu akzeptieren.
Mir war es ein Bedürfnis diesen Konflikt niederzuschreiben und den Mut zu fassen, es bei der Ausschreibung für den Konrad-Hansen-Preis 2021 einzureichen. Große Chancen habe ich mir dabei nicht ausgemalt. Es ist mein erstes eigenes Theaterstück, ich bin keine „echte“ Plattschnackerin, ich habe das Handwerk nie gelernt. Und dann das – 1. Platz.
Wahnsinn! Unglaublich! Zwei Begriffe, die mich seit der Preisverleihung in Flensburg begleiten. Ich danke der Jury des Konrad-Hansen-Preises sowie allen Unterstützenden des Niederdeutschen Bühnenbundes Schleswig-Holstein für mein persönliches Wunder von Kiel. Vielen Dank, dass meine Fantasie nun die Möglichkeit erhält auf der Bühne mit echten Stimmen zu sprechen und dem Publikum vielleicht auch Einblicke in das eigene Leben gewährt.
Und ich danke meiner lieben Niederdeutschen Bühne Kiel, ohne die ich niemals auf die Idee gekommen wäre überhaupt ein Stück auf Plattdeutsch zu verfassen. Das Wagnis einzugehen, mich als Nicht-Plattlerin auf die Bühne zu lassen, zeugt von Mut und dem Bestreben diese sympathische Sprache immer weiterzutragen.
Vielen Dank für dieses Vertrauen und das Abenteuer.
Sofie Köhler
Der Konrad-Hansen-Preis wird seit 2014 alle zwei Jahre an niederdeutsche Theaterautor*innen vergeben. Als Förderer des niederdeutschen Theaters als Teil des bundesweiten Verzeichnisses des immateriellen Kulturerbes durch die deutsche UNESCO-Kommission und als Förderer der niederdeutschen Sprache sieht der Niederdeutsche Bühnenbund Schleswig-Holstein e.V. sich nicht nur in der Verantwortung, das Repertoire an originär niederdeutschen Stücken lebendig zu erhalten, sondern dieses auch regelmäßig durch neue Stücke zu erweitern.
Weitere Informationen zur Verleihung des Konrad-Hansen-Preises 2021 finden Sie hier.
Foto: Monika Büchmann – Landtagspräsident und Schirmherrn Klaus Schlie überreicht den Preis an Sofie Köhler.