Seit der Uraufführung 1960 an der Niederdeutschen Bühne Flensburg und vor allem durch die auch zum TV-Hit avancierte Fassung des Ohnsorg-Theaters besitzt die Komödie „Sluderkraam in’t Treppenhuus“ von Jen Exler Kult-Charakter. Jetzt feierte der Klassiker Premiere im Theater am Wilhelmplatz.
Vom 05.05.2019 aus der Redaktion der Kieler Nachrichten
Kiel Irgendwann klingt passenderweise Udo Jürgens Mobbing-Boogie „Ehrenwertes Haus“ in einer Art Endlos-Schleife durch besagten Flurbereich, der zu einem der beliebtesten Handlungsorte des gehobenen Boulevard-Theaters zählt. Treibende Kraft hinter den zwischenmenschlichen Klimaschwankungen ist Meta Boldt. Mit großem Besteck rührt sie in der Giftküche, kocht Intrigen und Gerüchte aus, würzt diese mit übler Nachrede, kleinen Betrügereien sowie Klatsch und Tratsch in allen Varianten. Das geborene Lästermaul ist der Schrecken aller Hausbewohner.
Das Treppenhaus als Arena der garstigen Winkelzüge
Als da wären der zunächst griesgrämige Steuerinspektor a. D. Brummer (Peter Maaß) und dessen lässig-gewitzter Enkel Dieter (Björn Bargemann) sowie die clevere und großherzige Hanne Knoop (Heike Börgert) samt ihrer Untermieterin, die junge, hübsche Heike Seefeldt (Nele Petersen). Sogar der kauzige Hausmeister Bernhard Tramsen (Harald Fiedler) hat unter der alten Boldt zu leiden. Deren Saat geht zunächst zuverlässig auf. Das spießige Treppenhaus, von Rainer Kühn in zwei Wohnwelten eingeteilt, die nicht nur ein moderner Anstrich, sondern auch die Ansichten seiner Hüter trennt, wird zur Arena von allerlei Beziehungskapriolen und garstigen Winkelzügen. Allerdings reifen die Charaktere mit der Zeit an ihren Aufgaben und erteilen fürs Happy-End ihrer Peinigerin eine wirkungsvolle Lektion.
Gisela Siebert in einer Paraderolle
Natürlich ist Frau Boldt eine Paraderolle für Gisela Siebert. Und die Grande Dame der niederdeutschen Bühne Kiel weiß sie auch zu füllen. Fies, hinterlistig, verschlagen zuweilen tatsächlich bösartig interpretiert sie ihren Charakter, ohne es dabei zu versäumen, ihm auch ein wenig Verletzlichkeit mit auf den Weg durchs Treppenhaus zu geben. Zur Seite steht ihr bei diesem darstellerisch recht fordernden Stück ein engagiertes, witziges, streckenweise aber mit der Premieren-Nervosiät kämpfendes Ensemble.
Maßvoll aktualisierte Komödien-Perle
Obwohl Regisseurin Alexandra E. Kruse in ihrer Bearbeitung des Stoffes mit Heike Seefeldts Vater (sehr sinnfällig) eine Nebenfigur gestrichen hat, gelingt es ihr nicht immer, Längen zu vermeiden und das Tempo der Inszenierung konstant zu halten. Sicherlich aber werden ein wachsender Spielfluss und eine gewisse Vorstellungsroutine da etwas Abhilfe schaffen. Ansonsten gab’s viel Beifall für eine insgesamt durchaus unterhaltsame mit so mancher maßvollen Aktualisierung polierten Komödien-Perle.
Von Thomas Richter
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Artikel veröffentlicht: Sonntag, 05.05.2019 10:13 Uhr
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Foto: Cynthia Rennenberg